„Ihr seid willkommen!“

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„Ihr seid willkommen!“

Das Team von LebensLanges Lernen durfte Frankfurts neue Kulturdezernentin Ina Hartwig zum Interview treffen. Seit knapp einem halben Jahr im Amt, musste sich die frühere Journalistin und Literaturkritikerin anfangs scharfer Kritik stellen: Ist sie für dieses Amt geeignet? Bringt sie die nötigen Voraussetzungen mit? Während unseres Gesprächs wurde schnell klar: Ina Hartwig weiß genau, was sie tut, und setzt sowohl Prioritäten als auch deutliche Zeichen.

Als erstes möchten wir gerne wissen, wo Ina Hartwig den Stellenwert der museumspädagogischen Arbeit sieht. Ist sie ein notwendiges Übel – oder doch wert, gefördert zu werden?

Die Kulturdezernentin ist voll des Lobes für die Arbeit der Frankfurter Museen. „Ich begrüße das museumspädagogische Angebot in unserer Stadt sehr!“, erklärt sie. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist ihr dabei besonders wichtig und findet ihre volle Unterstützung. „Ich bin sehr froh, dass es in unseren Museen hervorragende Vermittlungsangebote gibt, die auf junge Besucher zugeschnitten sind. Kinder und Jugendliche brauchen eine besondere Ansprache, sie müssen spüren: ‚Ihr seid willkommen!‘. Alle Kinder, unabhängig von Herkunft oder sozialem Status, sollten einen Zugang zu kultureller Bildung haben. Museen dürfen nicht nur der Wissensvermittlung dienen, sie müssen ohne Zwang erkundet werden dürfen. Dass der Eintritt für Besucher bis 17 Jahre in den städtischen Museen ab 2017 kostenlos sein wird, darüber freue ich mich sehr. Kinder und Jugendliche sollten eigene ästhetische Erfahrungen sammeln und lernen, sich auszudrücken und so aktiv an der Gesellschaft teilzunehmen.“

Wie sieht es dabei mit den darstellenden Künsten aus? Beispielsweise beim Theater? Sind hier spezielle Angebote in Planung?

„Auf jeden Fall!“, antwortet Ina Hartwig ohne zu zögern. Es wird deutlich, wie sehr ihr dieses Thema am Herzen liegt. „Es gibt Planungen, ein eigenständiges Kinder- und Jugendtheater in Frankfurt zu etablieren. Mein Wunsch wäre ein Mehrspartenhaus mit Tanz, Musiktheater, Schauspiel und interdisziplinären Formaten sowie internationalen Gastspielen. . In einem Werkstattcharakter können sich Kinder ausprobieren: Bühnenbilder basteln, Kostüme entwickeln, am Text mitarbeiten. Das ist ganz wichtig, um Erfahrungswerte zu sammeln und zu sehen, was alles hinter einem Stück steckt. So wichtig das schulische Lernen auch ist: Schule basiert auf einem Bewertungssystem, das es schlichtweg nicht schafft, alle Fähigkeiten anzusprechen. Deshalb muss es unbedingt außerhalb der Schule Möglichkeiten geben, Talente zu erkennen, zu fördern und das Selbstbewusstsein zu stärken. Und auch die weniger Talentierten sollen die Gelegenheit haben, sich zu zeigen – ganz ohne Leistungsdruck.“

Thema Schule: Der Kulturrat kritisiert die Umsetzung des DigitalpaktD, durch den alle Schulen mit digitalen Medien ausgestattet werden sollen, mit der Begründung, dass die kreativen Fächer damit in den Hintergrund gedrängt werden. Wie steht Ina Hartwig zu diesem Thema? Sieht sie die Digitalisierung generell als eine Gefahr für die Kultur?

Bei dieser Frage unterscheidet Ina Hartwig ganz klar zwischen dem schulischen und dem kulturellen Aspekt. In der Schule steht sie der Digitalisierung eher kritisch gegenüber. „Vor allem im Grundschulalter sollten Kinder lernen, dass es auch noch ein Leben außerhalb der digitalen Medien gibt“, begründet sie ihre Ansicht. „Schulen sind neben dem Bildungsaspekt deshalb so wichtig, weil sie schon immer ein wenig von den sozialen Ungleichheiten auffangen und eine gewisse Chancengleichheit vermitteln konnten. Deshalb denke ich, es wäre sinnvoll, besonders die Grundschulen frei von Smartphones und Co. zu halten. Neben dem finanziellen Aspekt machen diese Geräte durch die permanente Erreichbarkeit außerdem nervös und zersetzen die so wichtige Konzentrationsfähigkeit.
Generell kann man aber keinesfalls behaupten, dass Kunst aufgrund von Digitalisierung zugrunde geht. Durch Digitalisierung ist eine neue Kunstsparte entstanden: Es gibt eine interdisziplinäre Szene von kreativen Programmierern, Designern, Wissenschaftlern und Künstlern. Außerhalb der Schule ist die Verknüpfung von analoger und digitaler Vermittlung durchaus sinnvoll. So eignet sich die bildorientierte Social-Media-Plattform Instagram besonders als Medium für spannende Reportagen und wird von einem jungen, bildaffinen Publikum genutzt. Auf Online-Informationsplattform können sich Kinder und Eltern über kulturelle Bildungsangebote informieren. Egal, ob QR-Codes, Apps oder Instagram – die reale Kunstwelt wurde durch die Digitalisierung um eine Dimension erweitert.“

Natürlich sind wir auch neugierig: Welche kulturellen Aktivitäten nimmt unsere neue Kulturdezernentin denn in Frankfurt besonders gerne wahr?

Einen Moment lang muss Ina Hartwig überlegen – kein Wunder bei dem vielfältigen Frankfurter Kulturangebot! „Ich gehe sehr gerne ins Kino“, erläutert sie dann. „Im Deutschen Filminstitut zum Beispiel gab es im August eine umfassende Retrospektive, die dem Kino der jungen Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1963 gewidmet war. Außerdem gehe ich mit Hochgenuss in die Frankfurter Oper und interessiere mich schon mein Leben lang sehr für Kunst. Aber ich muss sagen: Jetzt, in meinem Amt als Kulturdezernentin, schaue ich mir einfach alles an, was das Kulturprogramm zu bieten hat. Das ist unglaublich spannend! Ich lerne die Stadt noch einmal komplett neu kennen, obwohl ich seit fast 20 Jahren hier lebe. Ich liebe die Mentalität, die Offenheit, aber auch den Eigensinn der Frankfurter! Und die Internationalität der Stadt ist fantastisch. Sie wird hier nicht, wie in vielen anderen Städten, mit Armut und Problemen gleichgesetzt, sondern bereichert die Stadtgesellschaft. Es ist toll, in einer so florierenden und pulsierenden Stadt zu leben, die jeder mitgestalten kann.“

Um im Bereich der Internationalität zu bleiben: Wie ist es beispielsweise möglich, Flüchtlinge in Frankfurts Kultur zu integrieren? Gibt es hier eine Schnittmenge?

„Kulturpolitik muss sich an der Integration von Flüchtlingen beteiligen – die Türen der Kulturinstitutionen müssen für alle offenstehen“ kommt die prompte Antwort von Ina Hartwig. „Wichtig ist der Dialog. Nicht nur Flüchtlinge sollen die Möglichkeit haben, unsere Kultur kennenzulernen, sondern auch Frankfurter können von den Eingewanderten lernen. Ich entwickele gerade mit meinem Team ein Künstlerprogramm, in dem geflüchtete und hiesige Künstler mit jungen Flüchtlingen und benachteiligten Jugendlichen zusammenarbeiten werden. Ein anderes Beispiel ist ein Projekt vom Schauspiel Frankfurt. Hier entsteht aktuell eine Performance, bei der eine Gruppe Jugendlicher mit europäischen, orientalischen oder asiatischen Kulturerfahrungen gemeinsam den Blick auf Europa richtet. . Hierbei werden Geschichten rund um Vertreibung, Migration und Neuansiedlung zur Sprache gebracht. Die Jugendlichen wachsen auf eine ganz besondere Art zusammen, und genau daran müssen wir arbeiten! Es ist enorm wichtig, dass es solche Projekte und Begegnungen gibt. Es geht darum, zu zeigen, dass Kultur vielfältig ist und allen gehört.“

Red.: LLL/SR/AH
Foto: Kulturdezernat Ffm

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