Rechtzeitig zum Welt-Autismus-Tag am 2. April 2016 feiert der Selbsthilfeverein Autismus Rhein-Main e.V. sein 40-jähriges Bestehen. Im März 1976 fanden sich Eltern zusammen, um über Hilfen für ihre Kinder und für sich selbst nachzudenken. Um die Selbsthilfe organisieren zu können, gründeten sie den Verein Hilfe für das autistische Kind e.V. Was als Projekt einer kleinen Gruppe von Eltern begann, ist heute eine Organisation von über 400 Mitgliedern – Menschen mit Autismus sowie Angehörige von Autisten in Frankfurt und Umgebung.
Selbsthilfe zur Bewältigung der schwierigen Situation
„Damals wusste bei uns in Deutschland noch kaum jemand, was Autismus überhaupt ist“, erinnert sich das Gründungsmitglied Irmtraud Wendeler, Mutter eines autistischen Erwachsenen. „Es gab überhaupt keine autismus-spezifischen Hilfsangebote, und die Eltern waren weitestgehend auf sich selbst gestellt. Selbsthilfe war die einzige Möglichkeit, um unsere schwierige Situation zu bewältigen und die soziale Isolation zu überwinden.“
Zwölf Jahre bevor der Hollywood-Film „Rain Man“ das Phänomen Autismus einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machte, war es erst einmal notwendig, vorhandenes Wissen und wissenschaftliche Kenntnisse zu sammeln und unter den Eltern zu verbreiten. Deshalb wurden Informationsbroschüren erstellt und wissenschaftliche Vorträge organisiert. Seit dieser Zeit finden Vorträge, Seminare und Gesprächsgruppen mit Hunderten von Zuhörern zu fast allen relevanten Fragen rund um das Thema Autismus statt – organisiert durch den Verein.
Autismus und Asperger
Unser Mitglied Dr. med. Christine Preißmann, Autistin und Psychotherapeutin, leitet im Auftrag des Vereins eine von insgesamt 3 Gesprächsgruppen für sog. Asperger-AutistInnen. Sie veröffentlichte darüber hinaus selbst zahlreiche Bücher und Aufsätze zu verschiedenen Aspekten der Behandlung und der Hilfe für Menschen mit Autismus – u.a. auch über frauenspezifische Aspekte von Autismus.
Bereits ein Jahr nach Gründung des Vereins nahm im Jahre 1977 das Autismus-Therapie-Institut Langen initiiert und getragen durch unseren Verein mit Unterstützung der Städte Frankfurt und Offenbach seine Arbeit auf. Das Institut, das heute zur Behindertenhilfe Offenbach gehört, verfügt mittlerweile über 9 Dependancen im Rhein-Main-Gebiet – u.a. in Frankfurt, Darmstadt und Wiesbaden.
Das Thema Wohnen begleitet den Verein seit den frühen 80iger Jahren. In Kooperation mit dem Landeswohlfahrtsverband Hessen und verschiedenen Trägern der Behindertenhilfe konnte auf Initiative und mit Unterstützung unseres Vereins die Wohnstätte für AutistInnen in Dorf-Güll (Lebenshilfe Gießen e.V.) eröffnet werden. Drei weitere Wohngruppen in Mühltal bei Darmstadt folgten in den Jahren 1997, 2002 und 2012 (Nieder-Ramstädter Diakonie).
Sozialkompetenztraining
Soziale Kompetenz ist ein zentrales Thema bei Menschen aus dem Autismus-Spektrum und ein Schlüsselbegriff in der Autismus-Therapie. Durch Umsetzung von Gruppenangeboten versucht unser Verein, soziale Fähigkeiten zu stärken und Probleme mit der nicht-autistischen Gesellschaft zu verringern. Das Sozialkompetenztraining (SoKo) ist ein Angebot für AutistInnen, in dem unter professioneller Anleitung sozialer Umgang spielerisch geübt und neue Umgangsformen gelernt werden können. Dieses Projekt besteht seit 2003.
„Auch die Gesprächsgruppen des Vereins, in denen sich Asperger- und hochfunktionale Autisten über ihren Alltag austauschen können, sind sehr gefragt“, betont Markus Behrendt, stellvertretender Vorsitzender von Autismus Rhein-Main und selbst Asperger-Autist. „Aufgrund der großen Nachfrage haben wir darüber hinaus im letzten Jahr eine Gruppe für autistische Jugendliche gegründet.“
Entlastung für die Familien
Soziales Miteinander erleben, vor allem aber auch gemeinsam Spaß haben – das ist das Motto der verschiedenen Ferienfreizeiten, die der Verein an Ostern, im Sommer und im Herbst vor allem für Menschen mit Autismus mit hohem Unterstützungsbedarf anbietet. Gleichzeitig bedeuten diese Freizeiten, die von fachkundigen MitarbeiterInnen durchgeführt werden, auch eine wichtige Entlastung für die Eltern und die gesamte Familie.
In zahlreichen regionalen Elterntreffs, die mit dem Verein verbunden sind, bietet sich für Eltern und andere Familienmitglieder die Möglichkeit des Erfahrungsaustausches. Es wird angestrebt, solche Treffen flächendeckend für Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet anzubieten.
Auf Grund der hohen Nachfrage erfordern die verschiedenen Angebote des Vereins dringend einer Erweiterung. Schul- und Berufsausbildung, Integration in den Arbeitsmarkt und Betreutes Wohnen sind darüber hinaus die zentralen Themenfelder, in denen nach wie vor große gesellschaftliche Anstrengungen notwendig sind. „Dass sich auf diesen Gebieten noch mehr bewegt, dafür wollen wir uns mit aller Kraft einsetzen“, betont der Vorsitzende des Vereins, Werner Schneider. „Nicht zuletzt sind dafür neben den Mitteln, die uns u.a. die Stadt Frankfurt, die Aktion Mensch, die Leberecht- und Wimmel-Stiftung gewähren, weitere Finanzmittel erforderlich, weshalb wir dringend auch auf private Spenden angewiesen sind.“
Red.: LLL/SR/Autismus Rhein-Main e.V.
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